Zusammenfassung des Akademiegespräches vom 11.12.2014
Chancen sozialer Medien nutzen - von Bernd Weber
Es geht nicht einfach darum, als Behörde bei Twitter oder Facebook präsent sein. Es geht darum, was man dort mit welchem Ziel macht. Darin waren sich die Referenten und Referentinnen des Akademiegesprächs der Bundesakademie für öffentliche Verwaltung einig. „Im Vordergrund steht: Was können wir zur Information und Diskussion beitragen?“, fasste Katrin Hirseland, Sprecherin des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge zusammen. „Und gerade zur Diskussion und zum Dialog können wir auf soziale Medien nicht verzichten“, betonte Dr. Thomas Holzmann, Vizepräsident des Umweltbundesamtes.
Mitte Dezember diskutierten rund 70 Behördenvertreter im Bundespresseamt einen Tag über die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit im digitalen Zeitalter. Dabei zeigten sich auch unterschiedliche Ausgangspositionen, Ziele und Vorgehensweisen.
Jörg Ziercke, bis vor kurzem Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), setzte eigene Schwerpunkte: „Soziale Medien erfordern eine enorme Rückkopplung.“ Einerseits mit dem Ministerium. Denn eine Antwort auf Facebook sei ebenso eine öffentliche Aussage wie ein Pressestatement. Und beim BKA sei alles politisch relevant oder werde dazu gemacht: „Äußerungen setzen zügig politische Prozesse in Gang.“ Andererseits sei die interne Abstimmung wichtig – auch mit Blick auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Amtes. Ziercke: „Amtschefs sind auch den Mitarbeitern verantwortlich, die in ihrem sozialen Umfeld auf öffentliche Äußerungen angesprochen werden.“
Darum gehe auch in Krisensituationen Sorgfalt vor Schnelligkeit: Erst müsse der Sachverhalt geklärt werden, dann erst könne Stellung bezogen werden. Dabei gelte es, sorgfältig zu formulieren, um den „Alarmismus“ der Medien nicht noch zu verstärken. Denn Zuspitzung sei das Geschäfts der Journalisten: „Keine Nachricht hat wirklich gestimmt“, berichtete Ziercke aus seiner gut zehnjährigen Amtszeit als BKA-Chef.
Aus dieser Erfahrung leitet er eine seiner zentralen Fragen an die digitale Gesellschaft ab: „Müssen wir jeden Unfug im Netz für die Ewigkeit aufbewahren?“ Jede Falschinformation, jeder abwegige Kommentar bleibe stets verfügbar, werde immer wieder hervorgekramt und aktualisiert.
Deutlich stärker die Chancen der Digitalisierung betonte Dr. Thomas Holzmann, Vizepräsident des Umweltbundesamtes (UBA): „Bestimmte Zielgruppen erreichen wir mit gedruckten Hintergrundpapieren einfach nicht mehr. Wir treiben daher das Amt voran, um nicht eine ganze Generation zu verlieren.“ Es sei im Wortsinn „alternativlos“, sich mit seinen Zielgruppen tief zu vernetzen.
Die Ausgangssituation des UBA sei grundlegend anders als beim BKA. Holzmann: „Wir machen jede, wirklich jede fachliche Information öffentlich. Wir können uns da nicht nur an der Politik orientieren, sind nicht die Pressesprecher der Politik.“ Es sei auch nicht sinnvoll, Informationen zurückhalten zu wollen. Schon der Versuch sei zum Scheitern verurteilt.
Darum wolle das UBA auch nicht nur reagieren, sondern agieren, ergänzte Christoph Zinsius, Social Media Officer des UBA. Dazu sei es wichtig, den Dialog zu führen und „social“ zu sein. Ein Beispiel: Citizen Science. So frage das UBA in sozialen Medien nach Erfahrungen zur Obsoleszenz, zum geplanten und gezielten Verschleiß von Geräten. Die Erfahrungen werden gesammelt und ausgewertet. „Wir müssen uns früher einsetzende Beteiligungsmöglichkeiten für Bürger einfallen lassen; die traditionellen Formen der Bürgerbeteiligung sind zu starr“, ergänzte Vizepräsident Holzmann.
Dabei könne man sich auch darauf verlassen, dass die Zielgruppen in den sozialen Medien den Charakter einer Behörde akzeptieren, resümiert Zinsius seine vierjährige UBA-Erfahrung auf Facebook und Twitter: „Am Wochenende müssen wir nicht auf jeden Kommentar sofort reagieren.“
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sei auch am Samstag und Sonntag über soziale Medien erreichbar, berichtete Christiane Germann, mitzuständig für die sozialen Medien. Darum sei sei es wichtig, auch den Personalrat beim Thema Social Media einzubinden und passende Arbeitszeitmodelle auszuarbeiten, ergänzte BAMF-Sprecherin Katrin Hirseland. Und obwohl in den sozialen Medien zügige Reaktionen gefragt seien: „Man muss nicht über jedes hingehaltene Stöckchen springen.“
Entscheidend sei das Konzept, das hinter der BAMF-Arbeit in den sozialen Medien stehe. Das eineinhalbjährige Engagement bei Facebook und aktuell der Einstieg bei Twitter sei Ergebnis eines Philosophiewechsels in der Öffentlichkeitsarbeit: Auch schwierige Themen sollen aktiv platziert und die öffentliche wie mediale Diskussion versachlicht werden. Hirseland: „Letztlich wollen wir ein aktiver Player sein bei den Themen Integration, Migration und gesellschaftliche Vielfalt. Und wir wollen anders sein, als man es von uns erwartet.“ Um diese Ziele zu erreichen, seien die sozialen Medien ein wichtiger Teil der Öffentlichkeitsarbeit.
Sie setzen jedoch Offenheit und Flexibilität voraus. Hirseland: „In den sozialen Medien muss man einiges an Kritik aushalten. Und wir müssen bereit sein, aus Fehlern zu lernen – weil man in diesen Medien einfach den einen oder anderen Fehler macht.“
Fehler, die vor allem in der Kommunikation liegen. Die rechtlichen Probleme seien nämlich beherrschbar, hob der auf Social Media spezialisierte Rechtsanwalt Thomas Schwenke hervor. Auch wenn ein allgemeines Unbehagen wegen der angeblichen Unwägbarkeiten im Internet und die Angst vor Abmahnungen herumgeistern – die meisten Probleme seien vermeidbar.
In der Praxis würden die meisten Schwierigkeiten auftauchen, wenn fremde Bilder und Videos genutzt werden. Hier seien zwei Rechte zu beachten: Zum einen die Rechte der Fotografin und des Fotografen beziehungsweisers der Filmerin und des Filmers, zum anderen die Rechte der abgebildeten Personen. Aber selbst wenn etwas schiefgeht: „Ein kleiner Etat von 1000 oder höchstens 2000 Euro reicht fast immer aus, um rechtlich relevante Fehler auszubügeln.“
Auch ein häufig kolportiertes Gerücht sei falsch: Dass es Behörden – etwa aus Gründen des Datenschutzes - nicht erlaubt sei, auf Facebook aktiv zu sein. Rechtlich gebe es keinen Grund, die sozialen Medien nicht zu nutzen.
So gibt es kein rechtliches Hindernis für den vom BAköV-Präsidenten Dr. Alexander Eisvogel beschriebenen „Paradigmenwechel“ in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Dabei müssten sich Offline- und Online-Medien ergänzen: „Wer nur das Internet bedient, der erreicht zwar die 79 Prozent Internetnutzer. Aber eben nur die – und nicht die 21 Prozent der Deutschen, die das Internet nicht nutzen.“
Neue, hybride Formen der Öffentlichkeitsarbeit seien daher wichtig. Das Ziel: eine schnelle, flexible, direkte und flexible Bürgerkommunikation. Und eine direkte Rückkopplung an die Behörden zu den von ihnen gemachten Vorschlägen. So könne Social Media auch als Frühwarnsystem wirken.
Die Bundesakademie für öffentliche Verwaltung unterstütze diesen Wandel in den Behörden. Zum einen mit Schulungen zum Thema Social Media. Und zum zweiten mit neuen Beratungsangeboten direkt für einzelne Behörden. Eine Beratung, die konzeptionell früh ansetzt. Oder wie es der Moderator der Veranstaltung, Bernd Weber vom Dortmunder Beratungsunternehmen mct zusammenfasste: „Soll es Facebook oder Twitter oder vielleicht ein ganz anderes Medium sein? Das wird nicht zu Beginn, sondern erst während der Konzeption beantwortet.“
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